Seit ca. einem Monat überlege ich, wie das Martinsfest in Zeiten der Pandemie gefeiert werden kann. Ein Umstand stand schon seit Monaten fest: Ein Martinsspiel wird es 2020 nicht geben, da im nächsten Jahr keine Kinder aus Nomborn zur Kommunion gehen. Die Kommunionkinder hatten immer das Martinsspiel in der Kirche aufgeführt.
Unter Pandemiebedingungen und mit dem erforderlichen Abstand ist auch ein Martinszug -wie bisher- nicht möglich. Mir stellten sich viele Fragen: Welche Alternativen sind durchführbar? Können ich oder ein anderer Brezeln verteilen? Was ist, wenn derjenige, der die Brezeln verteilt, das Virus in sich trägt; wird unser Martinsfest dann zur massiven Virusschleuder? Können wir ein Martinsfeuer abbrennen, wenn die Besucher sich im Abstand um das Feuer versammeln? Wie können wir unter Corona-Bedingungen das Holz für das Feuer sammeln und den Holzstapel zum Abbrennen errichten? Wer darf am Martinsfest teilnehmen? Darf die Feuerwehr den Martinszug unterstützen und das Abbrennen des Feuers kontrollieren?
Diese Frage wurde mir auf Nachfrage durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde und den Wehrleiter der Verbandsgemeinde beantwortet. Die Feuerwehr muss zurecht ihre Einsatzbereitschaft sicherstellen, die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden dürfen deshalb kein Ansteckungsrisiko eingehen. Sie dürfen zwar zu Einsätzen ausrücken und stark eingeschränkt üben, alle anderen Veranstaltungen sind aber untersagt. Damit hatte sich meine Idee eines Martinsfeuers auf Abstand erledigt.
Wenn die Kinder nicht zum Umzug können, kann dann der Umzug zu den Kindern kommen? Soll St. Martin durch den Ort reiten und die Kinder warten auf ihn an der Grundstücksgrenze? Bis wir durch alle Straßen gegangen sind und eventuell die Brezeln verteilt haben, wird es sehr lange dauern. Das warten wird bei Herbstwetter schnell unangenehm.
Nach Abfrage bei den Mitgliedern des Ortsgemeinderats und nach Rücksprache mit den Ortsbeigeordneten habe ich entschieden, dass die Ortsgemeinde keine Martinsveranstaltung ausrichtet. Das war vor einigen Tagen keine leichte Entscheidung. Den Kindern wurde im Jahr 2020 schon so viel genommen. Jetzt auch noch das Martinsfest opfern, Traditionen während der Pandemie aussetzen, ist das letzte was ich wollte. Die Zahl der Neuinfektionen innerhalb der letzten 7 Tage pro 100.000 Einwohner lag vor einigen Tagen noch bei weit unter 20. Die kalte Jahreszeit näherte sich und es war mit steigenden Infektionszahlen zu rechnen. Die möglichen Alternativen für den Martinszug und das Martinsfeuer waren nicht befriedigend oder waren mit Risiken verbunden. Deshalb habe ich entschieden keine Veranstaltung, bei der mehrere Personen zusammenkommen, auszurichten.
Jetzt haben die Werte der 7-Tage-Inzidenz im Westerwald die kritische Marke von 50 weit überschritten (der Artikel wurde am 25.10.2020 verfasst). Das Risiko einer Ansteckung ist nun um ein Vielfaches höher. Maßnahmen zur Eindämmung müssen ergriffen werden. Es ist derzeit fraglich, ob und in welcher Form Zusammenkünfte im November stattfinden können und dürfen.
Die Kinder sollen aber nicht ganz leer ausgehen. Wir haben einen Weg gefunden, die Brezeln möglichst sicher zu verteilen. Die Bürgermeister der umliegenden Ortsgemeinden haben zusammen folgendes Konzept entwickelt: Die Ortsgemeinden Görgeshausen, Heilberscheid, Niedererbach und Nomborn werden am 11.11.2020 die Grundschulkinder in der Schule mit Martinsbrezeln versorgen. Die Ortsgemeinde Nentershausen übernimmt die Versorgung der Realschule Plus. Heilberscheid und Nomborn versorgen darüber hinaus die Kinder in der KiTa Hummelhaus.
Leider können wir damit nicht alle Kinder erreichen. Für die Kinder, die noch nicht in den Kindergarten gehen, biete ich den Eltern an, mir bis zum 06.11.2020 eine E-Mail mit dem Namen, dem Alter und der Adresse des Kindes zu schicken. Ihr erhaltet dann am 11.11. eine Brezel oder – je nach Umsetzbarkeit- einen Gutschein bei einem Bäcker.
Wir sollten aber auch den Hintergrund des Martinsfestes nicht vergessen. Gegen den Widerstand seiner Soldaten hat Martin selbstlos im kalten Winter seinen Mantel mit einem fast unbekleideten Bettler geteilt, damit dieser nicht erfriert. Später erschien ihm der Bettler dann im Traum und gab sich als Jesus Christus zu erkennen. Es ist die Geschichte von Nächstenliebe, gegen Egoismus.
Gedenken wir des heiligen Martins, beten wir für Nächstenliebe und den Zusammenhalt der Bevölkerung in der Krise und im alltäglichen Leben.
Ich würde mich freuen, wenn die Kinder am Abend des 11.11.2020 eine Laterne vor das Haus oder ins Fenster stellen. Nicht nur, um dem heiligen Martin zu gedenken, sondern auch als Zeichen, für die Gemeinschaft, gegen den Egoismus und für die Hoffnung, dass die Pandemie schnellstmöglich endet und wir wieder ein normales Leben mit uneingeschränkten persönlichen Kontakten führen können.
Bleibt gesund!
Euer Patrick Brach, Ortsbürgermeister